juni 2019
alaska
Im Land der Bären
08. Juni - 22. Juni 2019
Bereits zum dritten Mal reisen wir nun nach Alaska, zum zweiten Mal dürfen wir eine Woche mit Reno Sommerhalder bei den Bären verbringen. Als Reno uns vor rund einem Jahr erneut diese Möglichkeit anbot, konnten wir natürlich unmöglich nein sagen. Die Woche im Juni 2014 in der Chinitna Bay (Link) war ein derart unvergessliches Erlebnis, dass wir es nicht unversucht lassen möchten, weitere Momente dieser besonderen Art zu erleben. Mit dabei ist auch unser Freund Christian, genauso Bären- und Alaska-angefressen wie wir. Wir haben ihn 2014 bei Reno kennengelernt und sind über die Jahre hinweg stets in gutem Kontakt geblieben, so ist es selbstverständlich, dass auch er mit von der Partie ist.
Bevor es aber in die absolute Abgeschiedenheit und Wildnis Alaskas geht, verbringen wir einige Tage in Homer. Die kleine Gemeinde mit knapp 5000 Einwohnern befindet sich im Südwesten der Kenai Halbinsel, am nördlichen Ende der Kachemak Bay. Der Homer Spit, eine schmale, 6.5 km lange Landzunge, erstreckt sich weit in die Bucht hinein. Der Homer Spit mit seinen vielen farbigen Häuschen und den kleinen Läden und Seafood-Restaurants ist als solches schon eine kleine Attraktion. Noch viel imposanter ist jedoch die malerische Umgebung in der Kachemak Bay - Berge und Gletscher, soweit das Auge reicht.
Und genau diesen fantastischen Blick dürfen wir auch von der Terrasse unseres AirBnB’s geniessen. Zwischenzeitlich zu unserer liebsten Unterkunftsart geworden, wohnen wir in einem ruhigen Aussenquartier. Und wenn der Wunschgedanke, dass ein Elch im Garten vorbei spaziert, zur Realität wird, so weiss man, dass man definitiv die richtige Unterkunft gewählt hat. Und dass die Terrasse auch in Alaska nicht nur zur Zierde da ist, beweist einmal mehr der Wettergott. Wie sollte es anders sein: Das Wetter ist hervorragend, sonnig und angenehm warm. Halt eben so wie wir Alaska kennen ;-) Da sind die lauen Grillabende auf der Terrasse das Tüpfelchen auf dem i.
Homer haben wir auf unseren beiden bisherigen Reisen in Alaska noch nicht richtig kennengelernt, so erkunden wir die Gegend um Homer auf Tagesausflügen. Besonders schön ist der Scenic Drive auf der East End Road oder der Grewingk Glacier Lake Trail. Dazu ist es nötig, auf die andere Seite der Kachemak Bay zu gelangen, was nur mit einem Wassertaxi möglich ist. In Alaska natürlich kein Problem. Der Taxifahrer setzt uns an einem Strand ab, mit der Vereinbarung, uns im späteren Nachmittag an einem anderen Strand wieder abzuholen. Den Trail soll man nicht verfehlen können. Und dem ist dann auch so. Durch den borealen Wald wandern wir hinauf zur Gletschermoräne. Sobald wir den Gletschersee im Ansatz erspäht haben, bietet sich uns eine spektakuläre Aussicht auf den gesamten Gletscher und den davor liegenden See mit kleinen schwimmenden Eisschollen. Man kann das Eis förmlich sehen und hören, welches vom Gletscher abfällt. Imposant!
Die eindrucksvollen Sichtungen des Weißkopfseeadlers im Jahr 2014 im Kopf, verbringen wir einen Tag am Strand von Anchor Point. Natürlich voller Hoffnung, wieder einen Weißkopfseeadler aus der Nähe zu Gesicht zu bekommen. Ja wirklich, wir hätten uns mit einem zufrieden gegeben. Was wir dann aber erleben dürfen, übertrifft all unsere Erwartungen. Plötzlich ist der Himmel voll von diesen grossen majestätischen Vögeln, und wir können uns erst gar nicht erklären warum. Das Geheimnis ist schnell gelüftet: Ein vom Meer zurückkehrendes Fischerboot hat unfreiwilligerweise Fischreste am Strand hinterlassen, diese sind natürlich ein beliebter Leckerbissen der Weisskopfseeadler. Und so tummeln sich etliche Exemplare, bis zu 40 Stück gleichzeitig, am Boden und in der Luft. Was für ein unübertreffbares Erlebnis!
Glückselig lassen wir den Tag wiederum bei einem BBQ auf der Terrasse ausklingen. Da erreicht uns am Abend der Anruf von Reno via Satellitentelefon, dass wir uns bereit halten sollen, der Flug in den Katmai Nationalpark werde einen Tag früher - also bereits morgen - stattfinden, da auf Donnerstag eine Schlechtwetterfront im Anmarsch sei. Die Freude ist natürlich riesig, denn dies bedeutet, unser Trip wird einen Tag länger dauern. Schnell ist gepackt und am nächsten Morgen geht’s pünktlich mit dem Wasserflugzeug Richtung Katmai Nationalpark. Alleine der Flug, vorbei an Vulkanen, Gletschern und Bergen, vor dem Hintergrund des azurblauen Ozeans, ist das ganze Abenteuer schon wert. Und plötzlich, im weiten Nichts, sehen wir unter uns einen dunklen Punkt. Das ist sie nun also, die M/V Ursus, ein ehemaliges Krabbenfischer- und Forschungsboot, welches unser Zuhause für die nächste Woche ist. Zurzeit ankert sie in der Kukak Bay, hier werden auch wir die ersten Tage stationiert sein. Wie gross ist die Freude, Reno wiederzusehen! Mit an Bord sind nebst dem Kapitän zwei Matrosen, eine Köchin, und Buck Wild, ein bekannter Filmemacher und Bärenexperte, als unser amerikanischer Guide - so will es das Gesetz in Alaska.
Begeistert von unserer Kabine, die mit einem eigenen WC und Dusche all unsere Erwartungen übertrifft, geht es dann sogleich - ausgerüstet mit Wasserstiefeln und in Zodiac Schlauchbooten - ein erstes Mal an Land, um die Bären aufzuspüren. Es dauert nicht lange, und wird dürfen einen ersten Bären aus nächster Nähe sichten. Dieses vertraute Gefühl, diese angenehme Aufregung und die grosse Freude, wie wir sie von unserem letzten Bären-Trip her kennen, sind sofort wieder zurück.
Wie von Reno und der Crew richtig prophezeit, schlägt nun das Wetter um. Grosse Wolkenbänke und Regen ziehen in die Bucht, und sollen auch nicht wieder verschwinden für die nächsten drei Tage. Von Tag zu Tag wird die Stimmung etwas bedrückter, denn auch bei den Bären ist es nicht anders wie bei uns Menschen: Bei Schlechtwetter halten sie sich eher im Schutz - sprich in den Büschen - auf und wollen sich uns nicht so richtig zeigen. Wir sehen zwar Bären, aber es sind nur vereinzelte Sichtungen. Natürlich ist es in dieser Situation nicht von Vorteil, dass wir unsere Tour von 2014 mit nahezu permanenten Sichtungen im Kopf haben. Aber auch Reno setzt die Situation etwas zu, auch seine Erwartungen sind anders. Also Zeit, um einen Buchtwechsel vorzunehmen, wo die Bärenpopulation noch grösser sein soll. Unser Ankerziel ist die Hallo Bay, eine sandige Bucht, die sich unterhalb der Gipfel der Aleutenkette befindet. Sie ist durch die grosse und sehr dichte Braunbärenpopulation ziemlich bekannt geworden. Denn entlang der Watt- und Grasflächen lassen sich in den Sommermonaten so gut wie zu jeder Zeit Braunbären dabei beobachten, wie sie Muscheln aus dem Schlamm ausgraben oder auf den Seggenwiesen grasen. Das Nahrungsangebot in der Bucht ist gross, daher halten sich dort oft viele Braunbären gleichzeitig auf. Die Bären werden dort schon seit Jahrzehnten nicht mehr gejagt und haben sich mit der Zeit an die Menschen gewöhnt, die leider in den letzten Jahren vermehrt für Tagestouren eingeflogen werden. Sind diese Flugzeuge im späten Nachmittag wieder weg, haben wir die Bucht - und die Bären - ganz für uns alleine. Und diese Momente in Worte zu fassen, ist fast nicht möglich. Wir wollen es trotzdem versuchen:
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Unvergessen bleibt der Moment, als während unseres ersten Landgangs zwei Bärenjunge auf uns zugerannt kommen, so nahe, bis die Bärenmutter eingreift und sie kurz zur Rückkehr pusht.
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Unvergessen bleiben die vielen einzelnen Momente, in denen stets irgendwo ein Bär zu sehen ist, und das Beobachten der verschiedenen Interaktionen kein Ende nimmt.
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Unvergessen bleiben die Wolfssichtungen, zwar nur aus der Ferne, aber doch klar erkennbar.
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Unvergessen bleibt der süsse Fuchs, der quer über das Feld angerannt kommt und nur wenige Meter an uns vorbeizieht.
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Unvergessen bleiben die vielen Puffins, welche ihr Zuhause rund um Ninagiak Island haben.
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Unvergessen bleibt das Fischererlebnis auf der M/V Ursus, bei dem Roger den internen Wettbewerb klar gegen Reno gewinnt und einen rund 23 kg schweren Heilbutt ganz ungläublig dem Wasser zieht.
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Unvergessen bleiben die Momente voller Stille und Ruhe, wenn wir frühmorgens bei hochstehender Flut die letzten paar hundert Meter im seichten Wasser an den Strand laufen und dabei der kühle Morgennebel eine besonders mystische Stimmung verbreitet.
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Unvergessen bleibt die eindrückliche Landschaft, saftige grüne Wiesen umrahmt von den Gletschern und Vulkanen des Ring of Fires.
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Unvergessen bleibt leider auch die Tatsache, dass sich an den Stränden unglaublich viel Abfall befindet, und selbst unsere amerikanische Schiffscrew nur ein müdes Lächeln für uns übrig hat, als wir mit einer Zuber voll gesammeltem Abfall auf das Schiff zurückkehren.
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Unvergessen bleibt die Bärin, die wir aufgrund ihrer unverkennbaren Schönheit und ihrer Anmut Miss Hallo taufen, und die in aller Ruhe zwei Meter neben uns grast und sich dabei nicht stören lässt. Unvergessen bleibt dieser Moment, wenn du weisst, die Bärin hat dich vollkommen neben sich akzeptiert, und du ihren Atem nicht nur hörst, sondern fast spüren kannst.
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Unvergessen bleibt die pure Idylle, als uns eine Mutterbärin in nächster Nähe daran teilhaben lässt, wie sie ihre drei Jungen säugt. Und uns anschliessend als menschliches Schutzschild gegen einen sich nähernden männlichen Bären benutzt, und uns so das grösste Vertrauen überhaupt entgegen bringt.
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Unvergessen bleibt die Tatsache, dass wir Todesort von Timothy Treadwell mit eigenen Augen sehen.
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Unvergessen bleibt die letzte Bärenbegegnung am letzten Morgen, als ein Bär aus dem Nichts rund 5 Meter vor uns auftaucht, und Roger in aller Ruhe und mit grosser Gelassenheit mit dem simplen Hinweis, als würde er so etwas banales wie ‘ich habe Hunger’ sagen, ‘ein Bär’ darauf aufmerksam macht.
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Unvergessen bleiben die vielen schönen, lustigen und unterhaltsamen Momente und Gespräche, die gute Stimmung und die Musik- und Tanzeinlagen auf dem Schiff.
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Unvergessen bleiben die lehrreichen Stunden mit Reno, in welchen er mit ansteckendem Enthusiasmus uns an seinem unendlich grossen Wissen über die Bären und die Natur teilhaben lässt.
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Und unvergessen bleiben zu guter Letzt, aber nicht minder wichtig, die sensationellen Kochkünste unserer Köchin Kerry - ihre lokalen und frischen Spezialitäten waren einfach unvergleichbar köstlich.
Zurück in Homer lassen wir die beiden letzten Tage unsere Seele baumeln - bei weiterhin strahlendem Sonnenschein, Pizza mit Meeresblick bei Finn’s Pizza und Frühstück in der Two Sisters Bakery - zwei Lokale, die für uns das typische Alaska darstellen: locker, ungezwungen, und mit sündhaft guten Leckereien. Den letzten Tag in Anchorage verbringen wir mit einer gemütlichen Velotour auf dem Coastal Trail.
Diese ruhigen und gemütlichen Tage zum Abschluss tun gut und sind für uns sehr wichtig, um all das Erlebte für’s Erste verarbeiten zu können. Wir wissen, die Eindrücke werden auch nach dieser Reise nachhaltig bleibend und unvergesslich sein!